Morgenpost der Chefredaktion
Autor
Kommentar von
WOLFGANG FERCHER
Chefredakteur Kärnten
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Das Wahlprogramm stand unter dem Motto „Kärnten politisch erneuern“. Affichiert wurden Plakate mit Slogans wie „Jetzt oder nie“, „Ich flieg auf Freiheit“ oder „Alles spricht für Jörg“. Auf 29 Prozent (13 Prozentpunkte mehr als 1984) führte Jörg Haider die FPÖ bei der Kärntner Landtagswahl 1989. Die SPÖ fiel von über 50 auf 46 Prozent und war damit nach 20 Jahren ihre absolute Mehrheit im Landtag los. Haider punktete mit Themen wie Familienpolitik, Arbeit (gleicher Lohn für Mann und Frau bei gleicher Arbeit), der Forderung nach leistbarem Wohnen und dem Anprangern der roten Parteibuchwirtschaft. Auch die gescheiterte Sanierung des Zellstoffwerks St. Magdalen in Villach wurde der SPÖ angelastet. Die von 28 auf 21 Prozent abgestürzte ÖVP war als Mehrheitsbeschafferin zur Stelle – mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP wurde Jörg Haider zum ersten freiheitlichen Landeshauptmann gewählt. „Been there, done that“, könnte man mit Blick auf die nun bevorstehende FPÖ-ÖVP-Zusammenarbeit in der Steiermark sagen.

Als Haider zwei Jahre später nach seinem Sager zur „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ im Landtag abgewählt wurde, gelang es dem drittplatzierten ÖVP-Chef Christof Zernatto zum Landeshauptmann gewählt zu werden. Er sollte es auch nach der Landtagswahl 1994, mit Unterstützung der weiter verlierenden SPÖ, bleiben. 1999 führte Haider die FPÖ mit „Powerplay für Kärnten“, „Beenden wir die rot-schwarze Eiszeit“ oder „Er hält zu Kärnten und Kärnten hält zu ihm“ auf 42 Prozent der Stimmen und wurde danach wieder zum Landeshauptmann gekürt. Der Wählerwille muss respektiert werden“, erklärte Zernatto. Die ÖVP enthielt sich der Stimme und ermöglichte so Haiders Wahl im Landtag. Eine gewisse Karin Kneissl, heute Ex-Außenministerin und etwas verhaltensauffällig in Russland lebend, schrieb damals als freie Journalistin für die Deutsche Tageszeitung „Die Welt“: „Der Grundtenor unter den Beobachtern in Österreich lautet derweil: ‚Laßt ihn erst mal arbeiten.‘ Ob nun die Entzauberung Haiders folgt oder sein weiterer Aufstieg, ist offen.“ Die zwischenzeitliche Entzauberung sollte Wolfgang Schüssel liefern, der sich 2000 ebenfalls als Drittplatzierter von der FPÖ zum Bundeskanzler machen ließ.

„Die ÖVP würde eher ihre Großmutter verkaufen, als nicht mitzuregieren“, sagten Vertreter von SPÖ, FPÖ und Team Kärnten nach der Landtagswahl 2018 hinter vorgehaltener Hand fast wortgleich. Damals sondierte die SPÖ als überlegene Wahlsiegerin (48 Prozent) mit allen drei Parteien eine mögliche Koalition – und obwohl (oder vielleicht gerade deshalb) es etwa mit dem von Ex-SPÖ-Politiker Gerhard Köfer angeführten Team Kärnten wohl mehr inhaltliche Überschneidungen gab, kam wieder die ÖVP (die schon davor Teil einer Dreierkoalition mit SPÖ und Grünen war) zum Zug. Das rot-schwarze Bündnis wurde nach der Landtagswahl 2023 erneuert.

Auch schwarz-blaue oder blau-schwarze Kooperationen gibt es in Österreich seit Jahrzehnten. Zwischendurch war da auch etwas viel türkise Farbe im Spiel. Die Überraschung, dass der steirische FPÖ-Chef und Wahlsieger Mario Kunasek nun mit der ÖVP eine Regierung bilden will, ist also nicht groß. Die Blaupause für eine Koalition aus FPÖ und SPÖ, wie es sie in Kärnten von 2004 bis 2006 als „Chianti-Koalition“ gab, kann vorerst in der Schublade bleiben. SPÖ-Bundeschef Andreas Babler werden am Sonntag Steinschlichtungen vom Herzen gefallen sein. Dass Noch-Landeshauptmann Christopher Drexler nach einer historischen Wahlschlappe weiterhin an der ÖVP-Spitze steht, ist dem Machterhaltungstrieb der Partei geschuldet. Zu starke Diskussionen über eine personelle und inhaltliche Neuausrichtung wollte der künftige Juniorpartner auf dem Weg in die Landesregierung nicht offenbaren. Die Übung dürfte gelingen, die Schäfchen werden ins Trockene gebracht. Nicht einmal auszuschließen, dass Drexler selbst doch noch Teil der Regierung bleibt.

Einen diskussionsfreudigen Wochenstart wünscht,

 
Wolfgang Fercher
wolfgang.fercher@kleinezeitung.at




Buchtipp: Best of Morgenpost


Ausgewählte Morgenpost-Briefe von Hubert Patterer, Ernst Sittinger, Stefan Winkler, Elisabeth Zankel, Michael Jungwirth, Wolfgang Fercher und Carina Kerschbaumer jetzt in Buchform.

 

„Einen Bypass um die Wirklichkeit legen?“, Edition Kleine Zeitung, 224 Seiten, 19,90 Euro.

 

Erhältlich in den Büros der Kleine Zeitung, auf shop.kleinezeitung.at und im Buchhandel.

WERBUNG
Hochwertige Geschenkideen zu Weihnachten
Entdecken Sie einzigartige Geschenkideen im Kleine Zeitung Online-Shop und machen Sie Ihren Liebsten eine Freude! Von regionalen Handwerksprodukten über hochwertiges Kinderspielzeug bis hin zu spannenden Büchern – jetzt stöbern und inspirieren lassen!
Bleib up to date
        
 
© 2024, www.kleinezeitung.at, Kleine Zeitung GmbH & Co KG, Gadollaplatz 1, 8010 Graz. 

Alle Rechte vorbehalten.